
Tourenrennrad
Ich finde es manchmal schwierig, Namen für meine Fahrräder zu
finden. Oft baue ich ja gerade die Räder, die man nicht so einfach
von der Stange kaufen kann und für die es keine rechte Kategorie
gibt.
Wer von uns steht schon regelmäßig an der Startlinie und will
(oder muß, weil Profi) Rennen gewinnen? Ein reinrassiges Rennrad
oder auch ein Cyclocrosser werden dafür gebaut, Rennen zu gewinnen
und gehen deshalb eine Menge Kompromisse ein, die für die
allermeisten Nutzer Nachteile in der Alltagstauglichkeit bedeuten.
Meist geht es ja eher darum, möglichst wenig eingeschränkt zu sein,
wenn man sich auf ein Rad setzt. Und wer neue Strecken erkunden
möchte, geht immer das Risiko ein, daß irgendwo der Asphalt aufhört.
Und je länger die Strecken sind und in je größere Höhen sie kommen,
desto größer wird dieses Risiko. Und genau dafür wurde dieses Rad
gebaut. Um jeden Berg herauf- und wieder herunterzukommen. Auch
jenseits fester Wege.
Eigentlich war der Kunde mit seinem Rennrad sehr zufrieden:
Allerdings könnten die Reifen ein wenig breiter sein als die maximal
möglichen 28mm, die Übersetzung könnte noch einen leichten Gang mehr
bieten als die DuraAce mit 3fach Kettenblett und die Bremsen könnten
ein Quentchen besser sein. Genau die Dinge, die ein reines Rennrad
eben nicht erlaubt, um das letzte an Gewicht und Steifigkeit
herauszukitzeln. Herausgekommen ist ein Rennrad, das 42mm breite
Reifen erlaubt, eine 3fach Ultegra mit maximal 32 Zähnen am
Hinterrad besitzt und bergab auf solide Scheibenbremsen vertraut. Es
wiegt komplett mit Pedalen 10,8 Kg. Und da es jetzt mehr kann als
ein reines Rennrad, habe ich es Tourenrennrad genannt...
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Wie fast immer werden Fotos der Farbe des Rades nicht gerecht, erst
recht nicht auf einem Bildschirm. Das Rad ist in einem sehr dunklen
Moccabraun-Metallic pulverbeschichtet, sehr dezent von weitem aber
wunderschön von nahem. Die Beschichtung hat die Firma Rockenstein in
Schleusingen ausgeführt, bei der die meisten meiner Rahmen beschichtet
oder lackiert werden.
Die Sitzposition des Rades wurde von dem vorhandenen Rennrad
übernommen und ist so komfortabel, wie ich es meist empfehle. Die
Geometrie des Rades ist ein wenig spurstabiler gewählt worden als die
eines reinen Rennrades, um das Verhalten an ruppigen Untergrund
anzupassen.
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Der Vorbau wurde passend zum Rad gebaut und ist
aus besonderem Grund exakt waagerecht: Das Display des vom Kunden auf
dem Vorbau zu montierenden GPS-Empfängers ist bei waagerechter
Anbringung perfekt frei von Spiegelungen. Eine Kleinigkeit nur, aber ein
spiegelndes Display kann sehr nervig sein. |
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Das Rad ist mit zusätzlichen Bremshebeln
ausgestattet, die auch in Oberlenkerposition ein Bremsen erlauben. |
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Wer Zusatzbremshebel kennt, weiß um die nicht
ganz einfache Zugverlegung. Sind die Züge nicht optimal verlegt, leiden
Bremswirkung und -gefühl erheblich. Hier habe ich den Zusatzbremshebel
für die Vorderbremse mit einem kleinen Umlenkröhrchen ausgestattet, das
für einen erheblich günstigeren Zugverlauf sorgt und auch sicherstellt,
daß sich die Züge nicht gegenseitig ins Gehege kommen oder an den Rohren
schleifen. |
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Hier der weitere Verlauf der Züge. Gut zu sehen
auch der Eintritt des Bremszuges in das Unterrohr, durch das ein
Röhrchen aus rostfreiem Stahl läuft. Dadurch kann kein Wasser in das
Unterrohr eindringen und beim Wechsel des Zuges kann er einfach
durchgeschoben werden. |
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Die vordere Scheibenbremse. Jeder Belag ist
einzeln verstellbar, so daß kein Schleifen nerven kann. Alle
Berührungspunkte von Nabe und Bremse mit der Gabel sind mit rostfreien
Oberflächen versehen. |
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Die hintere Bremse, wie meistens bei mir dezent
auf der steifen Kettenstrebe angebracht. |
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Der Zug tritt aus dem Unterrohr aus und wird
über die Kettenstrebe geführt. Auch die mit Silberlot aufgelöteten
Zugführungen bestehen aus rostfreiem Stahl, da besonders alle Ecken,
Kanten und Spalte rostgefährdet sind. |
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Das hintere Ausfallende im Detail, auch hier an
allen Anlageflächen für Nabe und Bremse mit rostfreien Oberflächen
versehen. |
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Der Antrieb deckt ein extrem breites Spektrum
ab. Das ist in einem Fall wie diesem sinnvoll, wenn dem Fahrer
Steigungen wie Abfahrten viel Spaß machen und auch bei höheren
Geschwindigkeiten noch mitgetreten wird, um eben noch ein Quentchen
schneller zu sein. Auch wenn dieses Rad ein Tourenrennrad ist, bedeutet
es nicht, langsam zu fahren. Man kann Sachen fahren, die mit einem
Rennrad schlicht nicht möglich sind. |
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Der hintere Zahnkranz ist ein Kunstwerk für
sich. Die meisten Zahnkränze sind aus einem einzigen Block Stahl
gefräst, eine perfekte Kombination aus langer Haltbarkeit und geringem
Gewicht. Der große Nachteil ist der durch das Herstellungsverfahren
bedingte hohe Preis... |
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Ein spezielles Ausfallende macht es möglich,
das Ultegra-Schaltwerk mit einem größten Ritzel von 32 Zähnen zu fahren.
Das ergibt mit dem vorderen Zahnkranz eine Übersetzung von 1, damit
kommt man schon fast alles rauf.
Gut zu sehen ist hier die rostfreie Kettenstrebe.
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Da das Rad für einen Vielfahrer und schlechte
Wege gemacht wurde, habe ich die Schalt- und Bremszüge durchgehend
geschlossen verlegt. Um bei den Schaltzügen die Reibung zu optimieren,
wurden nicht die kompletten Außenhüllen durchgehend geführt, sondern nur
die sogenannten Liner, die reibungsoptimierten Innenröhrchen. |
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Hier noch mal im Detail die Zugführung unter
dem Tretlager. In der Regel löte ich da bei Stahlrahmen rostfreie
Röhrchen auf, anstatt die üblichen etwas unschönen Kunstofführungen zu
verwenden, die teilweise auch keine geschlossene Zugverlegung zulassen. |
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Der Wishbone-Hinterbau ist Geschmacksache.
Technische Vorteile gibt es eigentlich nicht, aber vor allem mit der
dazu passenden Gabel sieht er einfach schön aus. Und das ist ja Grund
genug. |
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Die Gabel mit segmentiertem Gabelkopf. Das
linke Gabelbein hat eine größere Wandstärke, um die erhöhte Belastung
durch die Scheibenbremse aufzunehmen. |
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Ob die Gabel gerade oder gebogene Gabelbeine
aufweist, ist auch Geschmacksache. Auf das Fahrverhalten hat es keinen
nennenswerten Einfluß, das kann man besser durch die Wahl der Rohre und
der Geomtrie steuern. |
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Die Sattelstütze ist ohne Schelle geklemmt,
auch das mehr eine Frage des Geschmacks. |
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Das Sattelrohr ist mit einer Verstärkungsmuffe
ausgestattet. Und auch wenn ich mich wiederhole: Auch das ist eher eine
Frage des Geschmacks. :-) Übrigens sind es natürlich genau diese kleinen
Dinge, die auch einen erheblichen Unterschied zwischen einem Rahmen von
der Stange und einem vom Rahmenbauer ausmachen: Man hat darauf Einfluß
und kann den Rahmen auch in Details so gestalten, wie man es möchte. |
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